„Es ist was es ist sagt die Liebe“ Erich Fried
In Gesprächen am gemeinsamen Boden bleiben, auch wenn kontroverse Stimmen aufkommen. – Wie ist das möglich? Eine der Grundlagen dafür ist: Wahrnehmen, was ist. Um uns genauso wie in uns.
„Die höchste Form menschlicher Intelligenz ist die Fähigkeit, zu beobachten ohne zu bewerten.“ J. Krishnamurti
In unseren Kursen üben wir gerne die Selbstwahrnehmung – ein Schlüssel im Zusammenspiel mit sich selbst und anderen. Ein Teilnehmer erzählte, er möchte sich mehr Mußezeit gönnen, in der er genießen kann, was bereits erfüllt ist in seinem Leben. Kaum
ausgesprochen meldete sich schon die Gegenstimme, die ihn antreibt: „Es gibt aber noch genug zu tun! Man muss hart arbeiten, wenn man was erreichen möchte!“ Anspannung macht sich breit, und das Hirn beginnt zu rattern um einen Ausweg zu finden. Nur wohin?
Was ist, darf sein.
Was sein darf, kann sich wandeln.
Vielleicht braucht es diese Vielfalt an Stimmen, damit alles Wesentliche berücksichtigt wird. Dabei brauchen nicht alle Forderungen erfüllt zu werden, viel hilfreicher ist es wahrzunehmen, was ihnen zugrunde liegt. Was treibt uns dazu, hart zu arbeiten? Welche tieferen
Anliegen stehen dahinter? Vielleicht ist es Anerkennung, Selbstwertschätzung, oder wirklichen Freiraum zu erlangen … ? Da wird die Muße-Stimme nicht widersprechen!
Was im inneren Dialog hilft, wirkt auch zwischenmenschlich. Es macht einen Unterschied, wenn ein Team oder ein Paar emotionale Themen mit Wahrnehmungskompetenz durcharbeitet. Dieser (innere) Zeuge ist ein nicht urteilender Teil in uns allen, der unterstützt, dass alle Seiten gesehen werden. Wir können gemeinsam Muster und Verhaltensreaktionen benennen und lernen, wann wir sie auslösen und was uns dabei unterstützt, in Verbindung zu bleiben.
Wirklich wahrzunehmen und nicht unbewusst den Film der eigenen Annahmen und Geschichten abzuspielen, braucht hohe Aufmerksamkeit. Denn es macht einen Unterschied, ob ich sage: „Über das kann man mit dir nicht reden“, oder ob ich fragen kann: „Wenn du drei Minuten schweigst, nachdem ich dir die Frage gestellt habe (=Beobachtung!), werde ich unsicher und vermute, dass dich das überfordert (=meine Interpretation). Ist das so? (=Realitätscheck)“ Bei der ersten Aussage liegt die Reaktion nahe, dass ich als
inkompetent oder nicht vertrauenswürdig bewertet werde, und ich muss einige Mauern überwinden um den gemeinsamen Boden zu finden. Bei der zweiten Variante zeigt sich die Interpretation transparent, und ich bin zum Dialog eingeladen.
(Selbst-)Wahrnehmung bietet die Basis für ein konstruktives Miteinander. Es geht nicht darum zuzustimmen zu dem, was andere tun oder sagen – sondern das Menschliche in uns allen zu sehen und danach zu fragen, wenn wir es nicht mehr im Blick haben: um am gemeinsamen Boden zu bleiben und vielleicht auch um das Leben so wahrzunehmen, wie es ist.
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